Vertretung von Frauen und Männern in der Politik

Eine Gruppe von Verfassungsrätinnen und Verfassungsräten aus mehreren Parteien setzt sich für eine gerechte Vertretung von Frauen und Männern in den politischen Behörden des Wallis ein. Ihr Positionspapier hier.

Art. 311 Vertretung von Frauen und Männern in den politischen Behörden
1 Besteht ein langfristiges Ungleichgewicht in der Verteilung von Frauen und Männern in den politischen Behörden, kann das Gesetz eine zeitlich befristete Massnahme zur Korrektur dieses Ungleichgewichts vorsehen.
2 Der Kanton trifft Massnahmen, die es den gewählten Personen ermöglichen, ihr Familien- und Berufsleben mit ihrem öffentlichen Amt zu vereinbaren.

Angesichts der aktuellen Situation im Wallis, 50 Jahre nach der Einführung des aktiven und passiven Wahlrechts für Frauen und 40 Jahre nach dem Gleichstellungsgesetz, ist die gerechte Vertretung von Männern und Frauen in der Politik immer noch immer nicht erreicht.

Bei jeder Wahl derselbe Tenor: Wir wollen Frauen auf den Listen, aber sie wollen nicht kandidieren.

Wenn wenige Frauen kandidieren, dann zeigt dies eine strukturelle Problematik auf. Dann liegt das daran, dass das System nicht angemessen ist. Denn: es wurde von Männern für Männer geschaffen, und Frauen versuchen so gut sie können, einen Platz in diesem System zu finden.

Es ist Zeit für Veränderungen. Wir sollten uns selbst einen echten Impuls geben. Verankern wir in unserer künftigen Verfassung den Anspruch, die Bevölkerung gerecht zu vertreten.

Bei den Gemeinderatswahlen 2020 in den 122 Walliser Gemeinden stieg der Anteil der gewählten Frauen im Vergleich zu 2016 von 19,6 % auf 26 %. Auch die Zahl der in den Grossen Rat gewählten Frauen ist gestiegen. Unser Kanton hat nun 45 weibliche Abgeordnete, was einem Gesamtanteil von 34,6 % Frauen entspricht (von 19,2 % auf 34,6 %). Dies ist sicherlich ein noch nie dagewesener Anteil, aber er ist nicht ausreichend und entspricht nicht der Realität der Bevölkerung. Zudem zeigt sich der Anstieg vor allem im Mittel- und Unterwallis. Im Oberwallis sind Frauen im Grossen Rat immer noch weit untervertreten. Lediglich 7 von 33 Grossräten sind Frauen, also ein Anteil von 21%.

Und wie Sie wissen, sind die Frauen im Staatsrat nicht mehr vertreten, in der Delegation in Bern vertritt nur eine Frau das Wallis.

Frauen sind nicht nur auf den Listen unterrepräsentiert, sondern ihre Chancen gewählt zu werden, sind auch wesentlich geringer als die der Männer, wie die regelmässigen Berichte des Büros für Gleichstellung und Familie zeigen. Es ist nun 50 Jahre her, dass Frauen das Recht erhielten, am politischen Leben teilzunehmen, und wenn es auch positive Zeichen gibt, das Ziel der Gleichstellung scheint immer noch in weiter Ferne zu liegen.

Es besteht Einigkeit darüber, dass es in der Walliser Politik ein Ungleichgewicht zwischen Männern und Frauen gibt. Auch das Bestreben, eine ausgewogenere Vertretung zu erreichen, findet im Verfassungsrat breite Zustimmung. Es sind die Mittel, mit denen dies erreicht werden soll, die nicht auf Zustimmung der Verfassungsrätinnen und Verfassungsräte stossen. Wir müssen nun in der Verfassung also unseren Ehrgeiz bekräftigen und unser Streben nach Ausgewogenheit verankern, gleichzeitig aber die Mittel zur Umsetzung offen lassen.

Dies entspricht dem Sinn von Artikel 311 Absatz 1. Zunächst wird der Rahmen für die Beobachtung abgesteckt: Um handeln zu können, muss die Vertretung von Frauen und Männern in den Behörden « längerfristig unausgewogen » sein. Das Gesetz wird genau definieren, wie viel ein « Ungleichgewicht » ausmacht und was « längerfristig » bedeutet. Alle Massnahmen müssen « zeitlich befristet » sein und darauf abzielen, das Ungleichgewicht zu korrigieren. Es steht ausser Frage, dass diese Massnahmen nicht für die Ewigkeit sind, sondern lediglich als Korrekturmassnahmen vorgesehen sind.

In Absatz 2 wird auf die Notwendigkeit hingewiesen, Massnahmen zu ergreifen, die eine bessere Vereinbarkeit von Familienleben, Beruf und öffentlichen Aufgaben ermöglichen, unabhängig davon, ob es sich um Frauen oder Männer handelt. Die Erziehungs-, Haushalts- und Betreuungsarbeit ist eine eigenständige Aufgabe, die in der Gleichung von Beruf, Familie und politischem Engagement berücksichtigt werden muss.

Kurzum, wir schlagen mit diesem Artikel 311 vor, unser kollektives Ziel zu bekräftigen: eine ausgewogenere Vertretung unserer Gesellschaft in den politischen Behörden. Wenn wir dies nicht von alleine erreichen, wollen wir uns mit dem Artikel die Möglichkeit geben, zu handeln, zu korrigieren und so eine gerechte Vertretung von Frauen und Männern zu erreichen. Ohne sie zu einer dauerhaften Regel zu machen, sondern zu einem einfachen Korrektiv.

Geben wir uns in der Verfassung die Grundlage, um unsere Ziele zu erreichen!

Martine Rouiller (AC), Géraldine Gianadda (VLR), Danica Zurbriggen Lehner, Ida Häfliger (CSPO), Claudia Alpiger, Rahel Zimmermann, Madeleine Kuonen-Eggo (Zukunft), Corinne Duc-Bonvin, Janine Rey-Siggen, Caroline Reynard, Pierre Schertenleib, Fabien Thétaz (PS), Gabrielle Cornut, Georges Vionnet (Verts)

 

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